Dr. Schäuble oder: Wie ich lehrte, die Bombe zu fürchten

Nationale Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice am 8. September 2002:
"We don't want the smoking gun to be a mushroom cloud."
("Wir wollen nicht, dass ein Atompilz die smoking gun wird.")

Präsident George W. Bush am 7. Oktober 2002:
"Facing clear evidence of peril, we cannot wait for the final proof - the smoking gun - that could come in the form of a mushroom cloud."
("Angesichts klarer Beweise für die Gefährdung dürfen wir nicht auf den letzten Beweis - die smoking gun - warten, der in Gestalt eines Atompilzes erbracht werden könnte.")

* * * * *

Smoking gun? Die Großen unter uns kennen das noch aus "Rauchende Colts": der wackere Marshal Matt Dillon und sein grenzdebiler Hilfssheriff Festus schlendern durch Dodge Citys staubige Straßen. Da hören sie Schüsse aus dem nahen Saloon. Die beiden also nichts wie rein. Halb über dem Tresen zusammengesunken liegt die Leiche vom Kneipier, das Wischtuch noch in der Hand. "Wer war das?", brüllt Dillon in den rappelvollen Laden. Alles guckt betreten auf die Sporen, kein Schwein will´s gewesen sein. Festus knufft seinem Chef aufgeregt in die Rippen: "Guck mal, Marshal, bei dem da hinten raucht´s aussem Holster."
Smoking gun!

Das haben wir nun davon. Die Kofferbomber vom letzten Jahr waren uns ja nicht smoking gun genug. Und kennt noch einer Fritz G., der in den Islam rübergemacht hat? Der mit seinen Kumpels mal eben den US-Air-Force-Stützpunkt Ramstein planbomben wollte? Genau, es ist jener Fritz G., der sich was schämen sollte, einen anständigen Namen so durch den Dreck zu ziehen. Denn wie sagte Dr. Wolfgang Schäuble in seinem Interview mit der FAS vom 16. September: "Hätten Sie vor kurzem noch gedacht, dass ein Terrorverdächtiger auf den schönen deutschen Vornamen Fritz hört?" Da zürnt der Schäuble völlig zurecht: so ein schöner Vorname, für immer verschandelt. Der nächste, der seinem örtlichen Standesbeamten ein krähendes Bündel vor die Nase hält und mit stolzgeschwellter Brust sagt: "Der soll Fritz heißen, wie mein Oppa", der wird doch sofort vom BKA observiert.

Aber das alles reichte ja noch nicht. Wir nölen immer noch rum: Online-Durchsuchung? Nein danke! Und da hat der Schäuble jetzt zum nuklearen Rundumschlag ausgeholt. Im gleichen Interview nämlich sagte er:
"Die größte Sorge aller Sicherheitskräfte ist, dass innerhalb des terroristischen Netzwerkes ein Anschlag mit nuklearem Material vorbereitet werden könnte. Viele Fachleute sind inzwischen überzeugt, dass es nur noch darum geht, wann solch ein Anschlag kommt, nicht mehr, ob. Wir sind bedroht und bleiben bedroht. Aber ich rufe dennoch zur Gelassenheit auf. Es hat keinen Zweck, dass wir uns die verbleibende Zeit auch noch verderben, weil wir uns vorher schon in eine Weltuntergangsstimmung versetzen."
Die verbleibende Zeit nicht verderben lassen? Was soll denn das heißen? Lohnt es noch, mit dem Rauchen aufzuhören?
Die Gefahr eines Anschlags mit einer schmutzigen Bombe (konventioneller Sprengkörper, dem Nuklearmaterial beigemischt wurde) ist doch nicht neu. Diese Gefahr bestand schon vor dem 11. September 2001. Viele Fachleute sind inzwischen überzeugt ... ja, wer sind denn diese Fachleute? Da wüsste ich in diesem Fall denn doch gern genauer, auf wen der Herr Minister sich da beruft.

Was wir brauchen, sind schärfere Gesetze, da ist sich der Schäuble mit sich selbst einig. Und wenn die Bürger dieses Landes zu unterbelichtet sind, das zu kapieren, dann bläst er halt ins atomare Horn. Just in einer Zeit, da Entscheidungen über einen von Schäuble selbst eingebrachten Entwurf eines BKA-Gesetzes bevorstehen, in denen neben den vieldiskutierten trojanischen Träumen des Herrn Minister noch ganz andere brisante Regelungsvorschläge stehen. Ausweitung der Möglichkeiten zur Rasterfahndung, Aushebelung des Richtervorbehalts in den ersten drei Tagen ("Bei Gefahr im Verzug kann die Anordnung (...) durch die Abteilungsleitung/den Präsidenten des Bundeskriminalamtes getroffen werden. Soweit die Anordnung nicht binnen drei Tagen durch das Gericht bestätigt wird, tritt sie außer Kraft", was im Klartext nichts anderes heißt als: wir machen erst mal und gucken dann hinterher, was der Richter dazu sagt), Aufweichung des Trennungsgebotes zwischen Polizei und Geheimdiensten.

Natürlich ist der Schäuble ganz besorgt. Der kann nachts gar nicht mehr schlafen. Der weiß genau, dass in den letzten sieben Jahren 10.000 Stellen im Polizeivollzugsdienst ersatzlos gestrichen wurden. 10.000 Polizisten, einfach futsch. Das soll mir mal einer erklären, wo doch die gefühlten Islamisten-Brigaden praktisch schon durch die Lüneburger Heide robben, um uns zu verstrahlen. "Hömma, bisse verstrahlt, oder wat?" So hieß das früher bei uns, wenn einer ausgemachten Unsinn verzapft hatte. Ich weiß ja nicht, aber wenn jetzt zum Beispiel mal einer dem Schäuble einen Geigerzähler vor den Schädel hielte ...

Der Schäuble, der ist so besorgt, der kommt vor lauter Sorgen gar nicht dazu, wieder Polizisten einzustellen. Es ist nämlich kein Geld da. Gleichwohl hat er irgendwo noch einen Sparstrumpf auftreiben können, und es knisterte eine Menge Taschengeld darin: 123 Millionen Euro. Da hat der Schäuble sich gefreut wie Bolle und der BamS ein Interview gegeben und was von einer 123-Millionen-"HighTech-Strategie" erzählt, die in den nächsten Jahren verwirklicht werden soll, um den Gefahren durch den Terrorismus effektiver begegnen zu können. Diese HighTech-Strategie sieht unter anderem den Einsatz von Robotern vor. Wie muss ich mir das vorstellen? Macht dann das Sondereinsatzkommando "R2D2" Jagd auf Attentäter und Gefährder?

Die Amerikaner, die haben auch so tolle Fachleute, wenn es um die Bedrohung durch Atomwaffen geht. Die haben da Fachleute, da kann unsereiner nur von alpträumen. Wie diese Fachleute sich ständig das Hirn verknoten aus Sorge um die Sicherheit und das Wohl ihrer Bürger, das glaubt man kaum. Und wer käme bei Namen wie Cheney, Wolfowitz oder Bush schon auf den Gedanken, sie könnten die Angst der Menschen instrumentalisieren und für ihre politischen Ziele missbrauchen.

Vizepräsident Dick Cheney am 8. September 2002:
"We do know, with absolute certainty, that he is using his procurement system to acquire the equipment he needs in order to enrich uranium to build a nuclear weapon."
("Wir wissen, mit absoluter Sicherheit, dass er [Saddam Hussein] sein Beschaffungssystem nutzt, um sich die benötigte Ausrüstung zur Urananreicherung für eine Nuklearwaffe zu besorgen.")

Präsident George W. Bush, 14. September 2002:
"Saddam Hussein has the scientists and infrastructure for a nuclear-weapons program, and has illicitly sought to purchase the equipment needed to enrich uranium for a nuclear weapon."
("Saddam Hussein hat die Wissenschaftler und die Infrastruktur für ein Nuklearwaffenprogramm und hat auf illegale Weise versucht, die benötigte Ausrüstung zur Urananreicherung für eine Nuklearwaffe zu kaufen.")

Das war schlichtweg gelogen. Die IAEA (hinter diesem Kürzel verbirgt sich nicht etwa ein Esel, sondern die Internationale Atomenergiebehörde) wies damals darauf hin, dass es zu diesem Zeitpunkt keine stichhaltigen Beweise für ein irakisches Atomwaffenprogramm gab. Selbst eine Studie des amerikanischen Außenministeriums bestätigte diese Informationen. Der Irak hatte mitnichten durch einen Botschafter "Yellowcake" im Niger gekauft, ein Zeug, das sich in waffenfähiges Uran umwandeln lässt. Die 81 Millimeter starken Aluminiumröhren, die der Irak tatsächlich zu erwerben gedachte, waren aufgrund einer speziellen Beschichtung gar nicht geeignet, als Umhüllung der Rotoren innerhalb der Zentrifugen zur Anreicherung von Uran zu dienen. Aber so etwas ficht Präsident Bush nicht an: "Der Irak hat mehrere Versuche unternommen, extrastarke Aluminiumröhren zu kaufen, die für die Anreicherung von Uran benutzt werden."
Sprach´s, und demokratisierte den Irak.

Jetzt bin ich bloß gespannt, welche smoking gun mein Bundesminister des Inneren als nächstes aus seinem Hut hervorzieht. Bis dahin genieße ich die mir noch verbleibende Zeit.

Moers, 18. September 2007

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